TSÜRI, Switzerland (2025-11-21)
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An der Rosengartenstrasse fehlt ein Gesamtkonzept
Um die Situation für Menschen zu Fuss und auf dem Velo zu verbessern, plant die Stadt an der Rosengartenstrasse zwei Fussgängerstreifen mit Ampelsystemen. Der Verkehrsexperte Kevin Riehl von der ETH Zürich bezeichnet die Massnahme im Interview als «Tropfen auf den heissen Stein».
55'000 Fahrzeuge passieren täglich die Rosengartenstrasse in Wipkingen. (Bild: Elio Donauer)
Isabel Brun: Die Rosengartenstrasse soll für Fussgänger:innen und Velofahrende bald einfacher zu überqueren sein. 2026 wird die Stadt deshalb zwei Zebrastreifen mit Lichtsignalen erstellen. Am Mittwoch hat der Gemeinderat einen entsprechenden Kredit in der Höhe von 3,5 Millionen Franken angenommen. Wie sinnvoll erachten Sie diese Anpassungen?
Kevin Riehl: Für Menschen auf dem Velo oder zu Fuss ist es sicherlich eine Verbesserung. Aktuell gibt es nur zwei Unterführungen und eine Überführung auf dem Streckenabschnitt zwischen Buchegg- und Wipkingerplatz – und jede davon ist für Velofahrende ungeeignet. Trotzdem frage ich mich, warum die geplanten Lichtsignale so dicht aufeinander folgen.
Wie meinen Sie das?
Gemäss Plan soll die erste Überquerung auf der Höhe Wibichstrasse erfolgen, die zweite auf der Höhe Lehenstrasse. Diese liegen nur 270 Meter auseinander. Weiter unten Richtung Wipkingerplatz hingegen bleibt die Situation unbefriedigend für den Langsamverkehr. Gleichzeitig müssen Autos und Lastwagen auf einem sehr kurzen Teilabschnitt abbremsen und wieder neu anfahren, wodurch der Verkehrsfluss unterbrochen wird. Es ist also für beide Seiten nicht ideal.
Eine Kreuzung hätte also gereicht?
Es ist schon sinnvoll, mehrere Überquerungsmöglichkeiten zu bieten, aber eben nicht so nah beieinander, sondern auf die gesamte Länge verteilt. So ist der Nutzen tatsächlich gering.
Die bürgerliche Minderheit im Parlament befürchtet mehr Abgase und Lärm durch das Stop-and-Go an den Ampeln. Was hat es damit auf sich?
Zumindest was die CO2-Emissionen betrifft, ist das richtig, denn beim Anfahren wird am meisten Treibstoff verbraucht. Es ist immer ein Abwägen, welchem Bedürfnis mehr Gewicht gegeben wird. Scheinbar ging es dieses Mal zugunsten der Sicherheit von Fussgänger:innen und Velofahrenden statt des Klimas.
Während die Überquerung durch die Zebrastreifen einfacher und sicherer werden soll, verzichtet die Stadt darauf, Velowege oder Markierungen zu erstellen.
Die Rosengartenstrasse wird auch mit Lichtsignalen für den Langsamverkehr unattraktiv bleiben, denn die geplanten Massnahmen sind ein Tropfen auf den heissen Stein. Der punktuelle Umbau steht exemplarisch für das Problem der Rosengartenstrasse: Weil ein Gesamtkonzept fehlt, wird «Pflästerlipolitik» betrieben.
2020 lehnte die kantonale Stimmbevölkerung ein solches «Gesamtkonzept» ab und versenkte den Rosengartentunnel. War das die verpasste Chance?
Das Ding ist, dass bei solchen Vorlagen häufig über ein Komplettpaket abgestimmt wird, statt nur über Einzelmassnahmen wie Tempo 30 oder Signalisation. Denn bei Verkehrsanliegen treffen verschiedene Bedürfnisse und Interessen aufeinander – und oft verlaufen sie in gegensätzliche Richtungen.
Die Stadtbevölkerung scheint sich aber ziemlich einig zu sein: Man will eine sichere Infrastruktur für Velos und Fussgänger:innen. In den letzten Jahren wurden entsprechende Forderungen aus der Politik immer befürwortet.
Ja, eigentlich wäre der Auftrag klar. Weil die Rosengartenstrasse aber eine Kantonsstrasse ist, hat die Stadt nur begrenzte Möglichkeiten, den Wunsch ihrer Einwohner:innen umzusetzen. Zudem ist der Platz auf der vierspurigen Strasse sehr knapp bemessen. Will man also die Situation für die einen verbessern, müssten die anderen zurückstecken. Dieser Grundkonflikt im Strassenraum zeigt sich auch bei der Einführung von Tempo 30.
Auch hier stellt sich der Kanton quer, denn die Stadt will auf der vierspurigen Verkehrsachse Tempo 30 einführen. Aber würde eine Geschwindigkeitsreduktion die Rosengartenstrasse denn überhaupt sicherer machen?
Während die Politik sich darüber streitet, ist man sich in der Literatur grösstenteils einig: Je schneller die Geschwindigkeit bei einem Aufprall, desto höher der Schaden und die Gefahr gesundheitlicher Folgen. Deshalb, ja, Tempo 30 einzuführen, macht die Strassen für alle sicherer.
Gibt es denn ausser Tempo 30 oder einem Tunnel noch andere Möglichkeiten, die Rosengartenstrasse für Fussgänger:innen und Velofahrende aufzuwerten?
Hier lohnt sich der Blick in die dritte Dimension. So könnte man beispielsweise velotaugliche Überführungen erstellen – sowohl die Wipkingerbrücke als auch die Hardbrücke zeichnen bereits ein ähnliches Stadtbild und das wäre um einiges kostengünstiger als Tunnels.
Über den Interviewpartner
Kevin Riehl ist Doktorand und Dozent am Departement Bau, Umwelt und Geomatik der ETH Zürich und forscht in der Gruppe für Strassenverkehrstechnik. Seine Arbeit konzentriert sich auf die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit im Strassenverkehr sowie auf die intelligente Steuerung von Verkehrssystemen und Ampelanlagen.